Dienstag, 31. Mai 2011

Die ersten Tage in Polen

An dieser Stelle werde ich in hoffentlich regelmäßigen Abständen von meiner Reise berichten. Eigentlich wollte ich via Skandinavien nach Russland, dank des genialen Testspiels des BVB in Poznan geht es aber nun über Polen und das Baltikum dorthin. Mit der Transsib soll es weiter in die Mongolei und China gehen und dort dann südlich die Ostküste runter bis nach Südostasien und weiter nach Australien. So sieht zumindest der derzeitige Reiseplan aus. Entweder in China oder spätestens in Australien werde ich dann wohl auch noch ein paar Monate zum Arbeiten verweilen. Das Geld aus der gekündigten Lebensversicherung ist zwar eine sehr gute Startmöglichkeit, wird aber auch keine 14 Monate ausreichen... So, genug des Vorgeplänkels, los geht’s:

Nachdem am Mittwochabend noch etwas länger gegrillt und getrunken wurde, benötigte es schon einiges an Weckleistung meiner Schwester, ehe Hähnel und ich am Donnerstagabend abfahrbereit waren und sie uns zur Autobahn bringen konnte. An der Tankstelle angekommen verabschiedet und dann fanden wir direkt einen Lift bis nach Berlin. Zwei-Drei Sätze wechselten wir noch mit den polnischen Fahrern und dann ging es auf der Rückbank direkt wieder ins Reich der Träume. Dank zweistündiger Vollsperrung erreichten wir den Rastplatz Michendorf bei Berlin trotzdem erst am Mittag und dort ging es dann irgendwie gar nicht mehr weiter. Es dauerte tatsächlich gut Zwei Stunden bis wir einen Lift zur 30km entfernten Tankstelle fanden und auch dort sollten wir wieder ordentlich ausharren müssen, bis wir dann irgendwann endlich an der Grenze bei Frankfurt Oder standen. Langsam wurde es echt eng. Zum Glück fand sich bald ein Direktlift bis nach Poznan. Die miesen Straßenverhältnisse und ständigen kleineren Staus ließen ein pünktliches erscheinen aber trotzdem immer unwahrscheinlicher werden. Um kurz vor Acht ließ uns der Fahrer dann in der Nähe das Stadions raus. Schnell ins Taxi und weniger später standen wir mit dem gesamten Reisegepäck vor der ausverkauften Hütte. Für BVB-Fans aus Deutschland gab es aber noch Tickets für 15 Zloty (1€ = 3,9Zl) für die Haupttribüne zu erwerben. Sinnloserweise mussten wir noch um das ganze Stadion laufen, aber zur Zwanzigsten Minuten waren wir dann endlich drin! Wow, ganz schön fett geworden, dieses neue Stadion. Dazu rappelvoll und Lech drehte bis zur 30 Spielminute auch noch ordentlich am Rad. Mitmachquote der gut 40.000 Zuschauer bei nahezu 100%, nicht übel für ein Testkick. Fahnen hingen allerdings keine und anschließend war es auf Kommando des Vorsängers auch wieder still im weiten Rund und wir konnten uns voll und ganz auf den lahmen Kick konzentrieren. Grund dafür sind die neuen Bestimmungen, welche vorsehen, dass für die ersten Drei Ligen Gästefans komplett ausgeschlossen werden. Die Ausschreitungen beim Pokalfinale zwischen Lech und Legia kamen den Funktionären wohl gerade recht um im Hinblick auf die kommende Europameisterschaft die Repressionen weiter anzuziehen. Jebac PZPN! In der Halbzeit hatten wir dann auch endlich die mitgereisten Freunde gefunden. Dürften so 15 mitgereiste Dortmunder gewesen sein plus etwa 50 Polenborussen, die sich ab und zu mit einigen Gesängen zu Wort meldeten. Lech interessierte sich glücklicherweise Null für uns. Soll dem ein oder anderen Gästefan ja auch schon anders ergangen sein... Die letzte Viertelstunde zeigte Lech noch mal was möglich ist. Schon ganz schön krank, was dann los war. Wüsste nicht, wo man sonst so eine Stimmung bei einem Testspiel erleben kann. Das Spiel endete wenig verwunderlich 0:0 und zusammen mit Dennis und Lennart, die unsere Reisegruppe für die nächsten Drei Tage vervollständigen sollten, ging es per Taxi in die Stadt. Noch probiert eine Portion Sauce mit Burger zu essen, ging es anschließend auf ein paar Piwo in eine Bar, in der nett anzusehenden Altstadt. Wir waren aber doch noch recht angeschlagen und so war es weniger schlimm, dass wir Zwei Stunden später schon wieder zum Hauptbahnhof aufbrechen mussten. Im Gegenteil. Endlich pennen im Drei-Uhr-Nachtzug an die Ostküste nach Sopot! Oder auch nicht... Der Zug war brechend voll und statt in der horizontalen fanden wir uns stehend im Gang wieder. Hähnel machte es richtig und rollte seinen Schlafsack aus, während wir das beste aus der Sache machten und seine Weinpulle austranken und die ganzen sitzenden Schulklassen vom Schlafen abhielten. Sechs Stunden später war die Nacht dann endlich überstanden und wir hauten uns im coolen Siesta Hostel erst mal noch ein paar Stunden aufs Ohr.
Am Nachmittag erkundeten wir dann die hübsche kleine Stadt, welche zwischen Gdansk und Gdynia liegt und mit den beiden die sogenannte Dreistadt bildet. Sopot gilt als Strandort und ist daher beliebtes Urlaubsziel für Polen. Nach ein paar Bier am Strand stürzten wir uns ins Nachtleben. Muss wohl ne ganz gelungene Nacht gewesen sein. Die Erinnerungen halten sich bei allen in Grenzen, jeder torkelte irgendwie allein zurück ins Hostel und musste dort mehr oder weniger einbrechen, weil der Code für das Tor zwischenzeitlich aus dem Gedächtnis gelöscht wurde. Hähnel schaffte es dann noch am nächsten Vormittag das komplette Hostel gegen sich aufzubringen und wurde wohl sogar noch ne Stunde in den Wintergarten eingesperrt. Großartig!

Total verkatert verbrachten wir den Großteil des Samstags dann im Bett. Abends wieder ein paar Bier am Strand reingeprügelt, dann aber recht zeitig den Rückzug ins Hostel angetreten und den Abend da locker ausklingen lassen. Schließlich von Hähnel verabschiedet, der bereits zum Flughafen musste, während sich Dennis und Lennart erst am nächsten Tag nach dem Frühstück verabschiedeten. Das war's nun also mit den ganzen Verabschiedungszeremonien der letzten Wochen, die Tour kann beginnen!

Per Blackticket fuhr ich mit der Bahn die 20 Minuten nach Gdansk, schloss den Rucksack im Bahnhof ein und latschte dann den bekannten Weg zum Stadion von Lechia. Die Motivation auf den Kick hielt sich arg in Grenzen, befürchtete ich doch ein Trauerspiel, zumal ich Lechia schon vor ein paar Jahren vor voller Hütten im Derby gegen Arka gesehen hatte. Und die Befürchtungen sollten sich bestätigen. Mit 6800 Zuschauern war das Stadion zwar gar nicht so schlecht besucht, der Bereich um das Capo-Podest blieb allerdings leer, Fahnen hingen auch keine und der verbliebene Rest in der Kurve schaute das Spiel im sitzen. Kam trotzdem in regelmäßigen Abständen zu Lechia-Schlachtrufen und vor allem zu Pöbeleien gegen Lech und besonders einer seiner Spieler, der durchgehend als Judas bepöbelt wurde, aber das war schon ein Trauerspiel. Unfassbar, wie sich diese verschissenen Europa- und Weltmeisterschaften auf die Fanszenen auswirken :-( Lediglich als Lechia in den letzten Minuten das Spiel noch zu seinen Gunsten drehte, wurde es dann doch noch einmal ganz ordentlich laut. Ich verbrachte anschließend noch ein paar Stunden in der wirklich genialen Altstadt und machte mich dann auf zu Hanna, meinem heutigen Couchsurfing-Host. Mit dem Bus ging es bestimmt ne halbe Stunde in ein kleines Dorf und als sich beim Aussteigen jemanden nach der Adresse fragte, drehte sich plötzlich ihre Schwester um, die zufällig im gleichen Bus saß. Vor Ort kam dann noch eine dritte Schwester dazu und wenig später zeigten mir die Mädels einen schönen See im angrenzenden Waldgebiet. Wieder zurück gekommen verköstete mich ihre Mutter mit selbstgemachten Speck der Nachbarn, während Vater für das Bier sorgte. Wow, was für eine Gastfreundlichkeit! Leider musste ich mich am nächsten Vormittag nach dem Frühstück schon wieder verabschieden.

Mit dem Zug fuhr ich zum Nulltarif nach Elblag und dort mal der Anleitung von hitchbase.com gefolgt: Bus Nummer 13 nehmen und dann bei der Zweispurigen Schnellstraße raus. Dummerweise sahen alle Straßen wie Zweispurige Schnellstraßen aus uns so fand ich mich eine halbe Stunde später unverrichteter Dinge nach einer Stadtrundfahrt wieder am Bahnhof wieder. Na gut, dann halt für 8 Zloty mit einem Bus in ein 30km entferntes auf dem Weg liegendes Dorf. Bis zum Stadtausgang gelatscht und dort einfach mal den Daumen in die Sonne gehalten. Autobahnen sind in Polen ja noch Mangelware, weshalb ich im folgenden eigentlich nie weiter als von Stadt zu Stadt kam und des öfteren selbige wieder per Fuß durchqueren musste. Ist natürlich recht zeitaufwendig, auch wenn man dafür eigentlich nie länger als 20-30 Minuten auf einen Lift warten muss. Das eigentliche Ziel, bis nach Kaunas zu kommen, musste ich allerdings trotzdem schnell verwerfen. Dafür hätte ich vielleicht auch mal ein bisschen eher los gemusst. Aber egal, an Zeit mangelt es mir ja nicht. Kurz vor Elk sah ich dann ein Schild, welches eine Pension für 25 Zloty anbot. Dort also frühzeitig rausgesprungen und mal nachgefragt: Preis bei einer Nacht 40 Zloty. So eine Verarsche, dachte ich mir, und bin dann ohne weiter drüber nachzudenken direkt weiter bis nach Elk. Da stand ich also nun. Es war bereits dunkel, die Bürgersteige hochgeklappt und eine günstige Übernachtungsmöglichkeit natürlich Fehlanzeige. Guter Rat war nun teuer. Was besseres als die Pension für 40 Zloty hätte mir eigentlich nicht passieren können... Na gut, also einfach mal 5-6km stadtauswärts gelatscht, aber da war auch nichts mehr los. Alle 10 Minuten mal ein Auto, die nächste kleinere Stadt 20km entfernt und mit Augustow die nächst größere 40km entfernt. Dann für die Risikovariante entschieden und einfach mal in diese Richtung gelatscht. Wenn alles schief läuft, dann latsch ich nun halt 20km durch den Wald... Aber weil nie alles schief läuft, hielt weniger später tatsächlich ein Wagen, der mich bis zur nächsten kleinen Stadt brachte. Auf dem Weg dorthin und dort angekommen waren Pensionen leider auch Fehlanzeige, also das Spiel noch mal wiederholt und weiter bis nach Augustow. An der Tanke am Stadtrand fand ich dann recht schnell eine Familie, die mich bis nach Augustow brachte. Das erste Hotel mit 90 Zloty auch zu teuer, also wieder gen Stadtausgang. Eine Wahl hatte ich ja ohnehin nicht. Zloty im übrigen auch nicht mehr, aber nach einiger Verhandlung konnte ich um Halb Zwei Nachts für 12€ in einem recht guten Hotel einchecken und die total malträtierten Füße endlich hochlegen.

Am nächsten Morgen musste ich dann nur die 10m zur Hauptstraße latschen und dort ging es dann weiter. Einige Lifts später war ich endlich an der Grenze angekommen, dort noch ein bisschen mit einem Lettischen Tramper gequatscht, und dann bei den beiden Deutschen Conny und Magda im Wohnmobil eine Mitfahrgelegenheit für die nächsten 150km gefunden. Die letzten 100km bis nach Klaipeda zogen sich dann auch noch etwas, aber gibt schlimmeres als bei bestem Sonnenschein in der schönen Landschaft zu stehen. Unterwegs hatte ich noch ein paar Couchsurfing-Anfragen an einer Raste mit Wlan für den heutigen Abend im lettischen Liepajas rausgehauen. Aber irgendwie ging auf den letzten 150km nichts mehr. Da half es auch nichts, dass mich für 20km die schönste Frau Lettlands mitnahm. Zu allem Überfluss schwenkte das Wetter urplötzlich von sonnigen 25 Grad in regnerische 10 Grad um, aber der Entschluss am Abend noch bis nach Liepajas zu kommen stand. Also Augen zu und durch, beziehungsweise Mütze auf und durch den Regen in die richtige Richtung durch den Wald gelatscht. Das Unterfangen wurde natürlich belohnt und um halb Elf stand ich im Zentrum von Liepajas. Die Straßen wieder leergefegt, keine Chance meine Mails zwecks Couchsurfingzusagen abzufragen (hatte tatsächlich eine...), aber immerhin hatte die Touristeninformation einen Plan mit Zwei Adressen zu Hostels aushängen. Bei dem ersten, nahegelegenen konnte noch ein Mädel für mich anrufen und in Erfahrung bringen, dass dies voll sei, bevor ihr Akku leider versagte. Also mal auf gut Glück zur zweiten Adresse aufgemacht, die allerdings locker 7-8km entfernt war. Nach einer halben Stunde habe ich dann erstmals angefangen das ganze Verfangen ernsthaft zu verfluchen, zumal es echt arschkalt und ich hundemüde war. Außerdem wurde mir bewusst, dass ich mir den Weg nicht ausreichend gemerkt hatte, beziehungsweise unter Umständen schon falsch war, als zu meiner rechten Seite plötzlich ein riesiger Sowjet-Bunker mit einem Hostel-Schild auftauchte. 8 Lats (1€ = 0,7LVL) für das Einzelzimmer inklusive vollem Kühlschrank auf dem Flur. Volltreffer!

Am nächsten Morgen dann mit dem Laptop im Bett liegend in aller Ruhe die nächsten Tage geplant und anschließend etwas die Stadt erkundet. Viel los ist hier nicht und für den schönen Strand war es viel zu stürmisch. Nur gut, dass am Abend das Halbfinalspiel der Baltic League zwischen Metalurgs Liepajas und Skonto Riga auf dem Plan stand. Gut? Das habe ich dann ernsthaft zu hinterfragen begonnen, als ich mir das miese Gebolze vor etwa 500 Zuschauern angetan habe. Fanmäßig tut sich hier laaaaangsam was. Etwa 40 um Singsang bemühte Heimfans hinter einigen Fahnen und etwa das gleiche Bild bei den Gästen, welche allerdings erst zur Halbzeit eintrafen. Immerhin eine 100%ig Steigerung zu meinem letzten Besuch im Baltikum :-P Nur gut, dass in der 89. die Entscheidung für Skonto fiel und mir die Verlängerung in der Kälte erspart blieb. Heute Abend sollte ich dann endlich die Couchsurfingzusage wahrnehmen, die ich eigentlich schon für gestern gehabt hätte. Mein Host Anete musste allerdings noch bis kurz nach Eins in einem Rockcafe (Liepajas gilt nicht nur als Stadt der Winde, sondern auch als Rockhaupstadt des Baltikums) arbeiten. Aber gibt sicherlich schlechtere Orte zum warten, als bei Livemusik und leckerem Bier in einer Kneipe. Nach Feierabend ging es dann mit dem Taxi in einen dieser riesigen grauen Wohnblöcke, in denen sicherlich der absolute Großteil der Bevölkerung in hiesigen Gefilden lebt und die tatsächlich nur von außen hässlich sind.

Ich wollte eigentlich am Morgen gemeinsam mit Anete die Wohnung verlassen und weiter ins estnische Tartu trampen, entschied mich aber recht spontan noch eine Nacht hier zu bleiben, da wir uns recht gut verstehen. Das hatte dann auch den Vorteil, dass ich gediegen ausschlafen konnte und die Zeit bis zum Nachmittag damit verbringen konnte, schon mal den ersten Teil des Berichtes zu schreiben, den ihr gerade lest...