Samstag, 4. Juni 2011

Durch das Baltikum nach Russland


Nach der Arbeit kam Anete dann auch wieder Heim und brachte gleich ihre Mutter mit, die uns etwas zu essen zauberte. Anschließend zeigte sie mir noch die kleine Stadt, inklusive Strand und Zwei netten Pinten, bevor sich der Tag auch schon wieder dem Ende zu neigte...

Am nächsten Morgen bin ich recht früh aus den Federn, weil ich etwa knapp 500km per Daumentaxi vor mir hatte. Bis Riga war es gar kein Problem und die längste Wartezeit war bald der Moment, als ein paar Wildschweine die Straße blockierten. Dort angekommen musste ich aber zunächst eine Stunde bis zur passenden Autobahn latschen um dann festzustellen, dass dort ne kleine Tramperparty steigt. Waren locker 15 Leute die ebenfalls auf einen Lift warteten... Da die auch alle schon eine Weile dort standen bin ich einfach mal wieder auf gut Glück eine Stunde entlang der Autobahn in die richtige Richtung gelatscht um dann stadtauswärts mein Glück zu versuchen. Klappte auch einwandfrei und etliche Lifts später kam ich am Abend in der estnischen Stadt Tartu an. Nur die Stunde als das Wetter wieder umschlug und ich nirgends eine Brücke in der Nähe fand zwecks Unterstellen nervte. Von Magnus hatte ich bereits eine Couchsurfing-Zusage, jetzt musse ich ihn nur noch erreichen oder finden. Bei der von ihm geschriebenen Adresse war keiner da, Telefonzellen oder ähnliches auch Fehlanzeige, also mal Zwei Mädels angelabert, die sich als Freundinnen von ihm herausstellten. Wenig später also schnell das Gepäck abgestellt und ein frisches T-Shirt übergezogen und dann biertrinkend in einer WG wiedergefunden. Später ging es ins Zentrum, wo so einiges los war. Aber kein Wunder, bei 20.000 Studenten in einer Stadt mit insgesamt 100.000 Einwohnern... War dementsprechend eine recht feucht fröhliche Nacht und das Aufstehen am nächsten Morgen eine Qual.

Aber half ja nichts, ich war ja mehr oder weniger nur zur Durchreise im Baltikum und um 15 Uhr sollte im Nordosten Estlands der Ball rollen. Vier Stunden sollten eigentlich reichen für die 150km, aber damit lag ich falsch. Es lag weniger an mangelnder Bereitschaft mich mitzunehmen, als an ausreichendem Verkehr. Teilweise lag ich echt 10 Minuten lang irgendwo in der Pampa in der Sonne auf dem Seitenstreifen ohne ein einziges Auto zu sehen..Aber dementsprechend fett war natürlich die Landschaft. Gibt echt schlimmeres, als dort nen paar Stunden immer mal wieder in der Sonne zu liegen... Das Spiel konnte ich natürlich recht bald abhaken, aber na ja, irgendwann reicht es eh mal mit baltischen Fußball. Am Abend erreichte ich die Grenzstadt Narva, wo ich bereits vor Zwei Tagen eine Couchsurfingzusage bekommen hatte. Also zuerst Mal das Zentrum gesucht, welches sich als schier unlösbare Aufgabe herausstellt. Die Einheimischen schickten mich stets in die entgegengesetzte Richtung der Schilder und letztendlich führte keiner der Wege in die Altstadt. Auch egal, dann mal in den Mäcces zwecks Wlan um noch mal die Mails zu schicken und die angefragte Adresse oder Handynummer des CS-Hosts rauszuschreiben. Dummerweise hatte der Idiot nicht wieder geantwortet, weshalb ich nun recht planlos dastand. Hätte ich das eher gewusst, wäre ich mittlerweile wohl schon in Sankt Petersburg und könnte die Samstagnacht standesgemäßg mit Saufen verbringen. Immerhin konnte ich Zwei Hostels in Narva aus dem Netz herausschreiben, wobei das letztendlich auch nur eine Zeitverschwendung von Zwei Stunden war, in denen ich sinnlos durch riesige Plattenbauten geirrt bin. Das erste war schon seit Ewigkeiten abgerissen und das Zweite voll... Mittlerweile hatten wir 22 Uhr und ich die Schnauze gestrichen voll von der Stadt, weshalb die letzten Euro in Rubel gewechselt wurden und ich mich dann an der Grenzstation einreihte. Auf russischer Seite bat die unfreundliche Uschi mich dann zu warten, offenbar stimmte irgendwas nicht. Ich befürchtete schon, dass die Russen bemerkt hatten, dass bei der Visumbeantragung etwas geschummelt wurde und malte mir im Kopf schon die alternative Reiseroute durch Zentralasien nach China aus, als sich herausstellte, dass das Problem nur die zerfledderte Hülle des Passes war. Dauerte dann trotzdem eine geschlagene Stunde und kostete einiges an Nerven, bis ich endlich russischen Boden unter den Füßen hatte. Auf der anderen Seite der Grenze war der Hund total begraben. Hier und da schossen sich ein paar Jugendliche mit billigen Fusel aus dem Leben, (günstige) Absteigen waren aber Fehlanzeige. Also wieder mal stadtauswärts gelatscht und trotz des kaum noch vorhandenen Verkehrs recht schnell einen Lift gehabt. Super freundlicher Typ, aber nen absoluter Reinfall, dass er nicht nach Sankt Petersburg fuhr, sondern mich 30 Kilometer später irgendwo im absoluten nirgendwo mitten in der Nacht an einer Kreuzung schon wieder rausließ. Zum Glück wird es in dieser Jahreszeit nicht mehr so richtig dunkel... 15 Minuten später kam dann der nächste Wagen vorbei und nahm mich immerhin ein paar Kilometer zu einer Tankstelle mit, wo ich dann direkt einen Trucker fand, der mich weiter mitnahm. Absolut cooler Typ. Konnte zwar kein Wort Englisch, lud mich aber direkt zum Abendessen in seinem Truck ein und als er mir klarmachen wollte, dass Russland durchaus gefährlich sein kann, untermalte er die Aussage damit, dass er mir mal eben seine Knarre unter die Nase hielt. Leider fuhr er auch nicht nach Sankt Petersburg, dafür aber einen riesen Umweg, so dass ich zumindest eine Stunde ratzen und im warmen sitzen konnte, bevor er mich um Vier Uhr Morgens 50km vor Petersburg an der Autobahn von Moskau kommend entließ. Mittlerweile war es auch schon wieder gänzlich hell und die beiden Lifts hielten je nach 1-2 Minuten. Krass, wie gut das trampen hier klappt. Da lohnt es sich nicht mal mehr den Rucksack abzusetzen...

In der Innenstadt angekommen noch etwas die vollen Leute begutachtet und etwas Zeit in einem Restaurant totgeschlagen, bevor ich mich zum Hostel aufgemacht habe, in der Hoffnung schon einchecken zu können. Gar nicht so leicht zu finden, da es sich offenbar um eine illegale Unterkunft handelt. Anders kann ich mir nicht erklären, dass man das Hostel nicht mal am Eingang ausschildert. In einem nahe gelegenen Luxushotel konnte man mir aber helfen und das ganze telefonisch regeln. Immerhin fand ich so im zweiten Anlauf das Hostel, einchecken durfte ich aber noch nicht. Nach etwas diskutieren aber zumindest in den Aufenthaltsraum, wo ich auf dem Boden liegend endlich pennen konnte. Allerdings auch nur bis plötzlich die beiden St Gallener Thomas und Marius vor mir standen, mit denen ich die nächsten paar Wochen gemeinsam unterwegs sein werde. Irgendwann konnten wir dann auch mal einchecken und das letztendlich sogar eine Etage höher in einem deutlich besseren Hostel, vor allem mit freundlichen und englischsprachigen Angestelltinnen. Sind dann noch etwas rumgelaufen, haben in Ruhe was gegessen und dann auch schon zum Stadion von Zenit.

Fanmäßig dürfte das Spiel zwischen Zenit und Spartak wohl das interessanteste in Russland sein, während sportlich Zenit gegen CSKA die bessere Wahl ist. Mit 21.400 Zuschauer war das Stadion natürlich ausverkauft. Die Kurve machte einen schönen Eindruck.. Sehr geschlossen, fast alle in weißen T-Shirts, die sie vor dem Spielbeginn alle auszogen um sich zu vermummen. Zum Intro wurde dann eine fette Blockfahne hochgezogen und drumherum ordentlich gezündelt. Machte gut was her! Es bleibt allerdings der fade Beigeschmack, dass sich Zenit die Blockfahnen vom Verein machen, sprich bezahlen, lässt. Stimmung war auch gut. Eigentlich hat durchgängig die ganze Kurve mitgemacht und dazu gab es immer wieder reichlich Pyro. Der 3:0 Heimsieg tat sein übriges dazu. Die etwa 2000 Gäste aus Moskau enttäuschten dafür. Ein paar Fahnen, etwas Pyro zum Intro und ständig die gleichen Gesänge, mit denen sie keinen vom Hocker reissen konnten. Trotz der großen Rivalität blieb es total friedlich. Liegt wohl daran, dass die Russen viel zu großen Respekt vor ihren Bullen und Soldaten haben.

Weil die Metro nach Spielschluss gesperrt war, haben wir in einem Cafe noch ein Bier getrunken, bevor wir zurück zum Hostel und recht schnell ins Bett sind, weil jeder doch recht fertig von der Anreise war. Im Stadion stieß übrigens auch noch Lukas zu uns, so dass unsere Vierköpfige Reisegruppe für die nächsten Wochen nun komplett war.

Am nächsten Morgen ewig geratzt und ganz gemächlich aufgestanden und dann zum Bahnhof um die Zugtickets abzuholen. Lukas hatte im Vorfeld irgendwie geschafft auf der russischen Bahnseite die Tickets für die Strecke Sankt Petersburg – Yekaterinenburg und Yekaterinenburg – Irkutsk für die dritte Klasse für 115€ pro Nase zu buchen. Günstiger geht es wohl nicht.

Danach verabschiedete ich mich von den Dreien und traf mich mit der Couchsurferin Darja und einer ihrer Freundinnen in der Stadt. In nem Cafe nen bissl gequatscht, dann haben mir die beiden die Stadt gezeigt und am Abend hat Darja noch eine super Mahlzeit aufgetischt.

Den nächsten Tag musste sie leider arbeiten, weshalb ich wieder zu den anderen ins Hostel bin. Dachte eigentlich, dass noch alle am schlafen seien, als Thomas plötzlich durch die Tür getorkelt kam und erzählte, dass er grad erst heim komme. Argh, hätte nicht gedacht, dass man am Montagabend gut ausgehen kann. Total ärgerlich, aber direkt den Entschluss gefasst, mich am Abend nur noch von Darja zu verabschieden und mich für den coolen Abend zu bedanken und dann auch auszugehen. Als die anderen Drei dann endlich auf waren noch in ein Cafe, ein Bier in nem schönen Park in der Sonne genossen, dann von Darja verabschiedet und noch mit Zwei Mädels, die ich im Cafe kennen gelernt hatte, getroffen. Total die braven Mädels, fast schon Schickimicki und die dritte Frage bezog sich auf Fragen zur Drogenpreispolitik in Deutschland und anschließend erzählten sie mir ganz offen, die Wörter „schneller“ und „härter“ aus deutschen Pornos zu kennen. Die erhoffte Übernachtungsmöglichkeit sprang da leider nicht bei raus, war aber trotzdem ganz lustig. Deshalb ging es zu späterer Stunde mit Lukas noch mal in das Kneipenviertel, wo sie am Vortag waren. Echt eine geile Ecke. In den guten Kneipen könnte man gut mal ein paar Tage verbringen. Ich weiß gar nicht so recht, wieso wir nach einem Bier schon wieder ins Hostel sind, welches die letzte Nacht für mich zum Nulltarif im Angebot hatte.

Am Mittwoch begann die Reise dann endgültig richtig, sollte am Nachmittag doch die Transsib losfahren und uns endlich in neue, unbekannte Gegenden bringen. Dazu bestes Sommerwetter, herrlich! War alles etwas chaotisch und am Ende wurde es recht knapp mit der Zeit. Die Zeit reichte auch nur noch dafür, dass sich Zwei von uns Vier im Supermarkt mit Reiseproviant eindecken konnten, was letztendlich aber halb so wild war. Die erste Schaffnerin, welche wir nach der richtigen Zugnummer fragten, lachte uns erst mal herzlich aus. Dabei ist die dritte Klasse top. Ist halt ein Großraumabteil mit Liegemöglichkeiten für 54 Personen. Die Luft und die Hitze ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber sicher besser als sich zu Viert in der Zweiten Klasse zu verbarrikadieren, deutlich mehr Kohle zu bezahlen und sich am Ende einzubilden man hätte was von Russland gesehen ;-) Essen gab es in Form von Instantnudeln und Co, weil es in jedem Abteil kostenlos warmes Wasser gibt und Bier und Vodka hatten wir dabei, kann man aber auch für 100 Rubel für die Dose im Zug erstehen. Beim Versuch aus den leeren Bierflaschen Pinnchen für den Vodka zu basteln, hab ich mir das Messer ordentllich in den Finger gejagt. Gar nicht sooo schlecht, diese Schweizer Taschenmesser. Der angehende Krankenpfleger Marius wusste mich aber zu verarzten und der Vodka war ein probates Mittel gegen die Schmerzen, allerdings setzten dann auch recht bald die Erinnerungen aus... Ob der Lautstärke haben wir uns aber wenig Freunde gemacht. Lediglich die 5-6 saufenden Asis, die immer mal wieder auf einen Kartentrick oder ein Handybild zu uns herüber kamen, mochten uns auch nach der Fahrt noch. Andere Touristen hatte es nicht im Abteil, so dass wir letztendich die einzigen englischsprachigen Leute in selbigen waren. Die Zeit ging erstaunlich flott rum. Ich hätte gut und gerne noch Eins-Zwei Tage sitzen bleiben können. Man gewöhnt sich echt schnell an das Nichtstun. Etwas quatschen, lesen, aus dem Fenster glotzen, essen, trinken, schlafen, die Beine auf einen der kurzen Halts auf dem Bahngleis vertreten und schon standen wir in der drittgrößten Stadt Russland im Ural, in Yekaterinenburg. Dort bleiben wir eine Nacht, schauen dann noch ein Zweitligaspiel und am Samstagabend geht es dann wieder für 50 Stunden in den Zug nach Irkutsk.

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