Freitag, 5. August 2011

Fuckin' Hong Kong


Hong Kong ist, ähnlich wie Macau, Teil des „Ein Staat – Zwei Regierungen“-Konzepts. Sprich ein selbst verwalteter Staat, welcher der Republik China untergeordnet ist. In Folge des Opiumkriegs, den die Briten führten um an das chinesische Opium zu gelangen mit dem sie ihre eigenen Bürger vergifteten und damit ruhig stellten, wurde nicht nur wie bereits erwähnt die Öffnung der Seehäfen erzwungen, sondern auch die Abtretung Hong Kong's vertraglich gestgehalten. Erst 1997 wurde es an China zurück gegeben. Heute leben auf einer Fläche von 1100km² Sieben Millionen Menschen, was nach Monaco die zweitgrößte Bevölkerungsdichte weltweit darstellt. Die Mieten steigen dadurch natürlich ins unermessliche, geschätzte 100.000 Personen gelten als sogenannte Cage People, da sie, ähnlich wie in Japan, keine andere Wahl haben als in 2x3m großen Käfigen zu leben. Deshalb ist es auch wenig verwunderlich, dass ich auf die schnelle keine Couchsurfingunterkunft finden konnte. Das „Problem“ war, dass ich hier ein paar Fußballspiele sehen wollte, die erst in Sechs beziehungsweise Neun Tagen sind, was eigentlich viel zu viel Zeit für diese kleine und teure Insel ist. Aber eine wirkliche Alternative gab es durch den Visa-Mist auch nicht... Auf der anderen Seite der Grenze war ebenfalls eine Metrostation, welche nicht nur äußerlich an die Londoner Tube (genau wie die doppelstöckigen Busse) erinnert. Nein, auch preislich, wird einem hier schnell klargemacht, wo man sich befindet. Ich war mir noch unsicher, ob der Automat meinen 20HKD-Schein überhaupt annehmen würde – ist das Maximum auf der anderen Seite der Grenze doch ein 10er-Schein – und umso erstaunter, als der Fahrpreis in den Süden der Hauptinsel satte 36HKD betrug. Ah, das ist also der Unterschied zwischen staatlichen und privaten Verkehrsmitteln ;-) Immerhin fand ich in der sogennanten Chung King Mansion, einem riesigen Hochhaus, welches nur aus Hostels und Guesthouses zu bestehen scheint, eine günstige Unterkunft. 60HKD (1€ =10,5HKD) im Travel „Hostel“ (mehr ne schäbbige Absteige mit Dormzimmern) waren deutlich weniger, als ich erwartet hatte. Der heutige Donnerstag würde ein stressiger werden, das war vorher klar. Erst in einer Agentur das chinesische Visum (30 Tage, einfache Einreise für 300HKD binnen Vier Tage), dann das vietnamesische Visum bei der Botschaft beantragt (30 Tage, doppelte Einreise für 550HKD) beantragt, Tickets für die Spiele gekauft (günstigstes Ticket 210HKD für die Vorrunde, die beiden teuersten Kategorien erstaunlicherweise schon ausverkauft und die Finalspiele komplett ausverkauft) und im gut versteckten RC Outfitter für 230HKD ein Zelt gekauft. Und damit war nicht nur der Geldbeutel leer, sondern die Nerven auch total am Boden. Ätzende Stadt. Ich brauch ganz schnell eine Pause von dem ganzen Gedrängel und Gewusel...

Und genau deshalb habe ich mich entschlossen die nächsten Tage zu campen, bietet die Insel doch erstaunlich viele schöne und ruhige Ecke um sich von den überbevölkerten Städten zu erholen. Per Metro, Bus und einer halbstündigen Wanderung war der erste Anlaufpunkt auf der Lantauinsel. Schöne Bucht, sauberes Wasser, nur der angeschwemmte Müll störte etwas. Erstaunlicherweise war ich den ganzen Tag und die ganze Nacht alleine. Sieht man mal vom Wasserbüffel ab, der wohl genau so erschrocken wie ich war, als wir urplötzlich und nur einen Meter voneinander entfernt voreinander standen. Und die ganzen Mosktios und Ameisen, die schon das abendliche grillen störten und auch in der Nacht immer wieder erfolgreich in mein Zelt einbrachen. Mein einsamer Hilfeschrei in der Couchsurfing-Gruppe wurde von Virginia erhört, die mir folglich den Samstag über Gesellschaft leistete und am Abend tauchten dann tatsächlich noch ein paar weitere Camper auf. Und das Insektenproblem konnte durch verschieben meines Zeltes vom offiziellen Zeltplatz zum Strand auch weitestgehend gelöst werden. Dafür fing ich mir aber einen recht ordentlichen Sonnenbrand ein, so dass ich mich heute notgedrungen vom Strand und Wasser fernhalten muss. Aber hey, dafür bin ich mal wieder dazu gekommen den Blog zu aktualisieren (na gut, das Hochladen hat dann noch Zwei Wochen gedauert...)! Am Abend habe ich mich dann im Osten Hong Kongs mit Louisse, einer anderen Couchsurferin, getroffen. Mit dem Bus ging es raus und nach Drei Stunden Fußmarsch durch die Dunkelheit kamen wir um 1-2 Uhr Nachts am schönen Lo Ke Wan-Strand an, an dem wir unser Zelt aufstellten. Außer uns war natürlich keiner da, erst als am nächsten Vormittag die ganzen Touristenschiffe ankamen. Duschen und Getränke kaufen konnten wir am Strand, zum Mittagessen mussten wir mal eben locker flockig eine Stunde ins nächste Dorf wandern. Am Abend ging es weiter nach Tai Long Wan. Der Strand war noch mal eine ganze Nummer besser. Schon krass, was für geile und einsame Landschaften es hier gibt, während man 30km weiter kaum einen Fuß vor den anderen bekommt. Am Dienstagabend ging es dann wieder zurück. Louisse hatte bereits eine Nacht überzogen – asiatische Eltern müssen die absolute Hölle sein (Volljährig hin oder her...) - und ich hatte am nächsten Tag auch einiges zu erledigen. Erst erfolgreich die beiden Visa abgeholt, dann zur Abwechslung mal wieder ein neues Handtuch gekauft und am Ende war dann Fußball angesagt. Der alleinige Grund meines ansonsten viel zu langen Hong Kong Aufenthalts...

Der Asia Trophy Cup findet schon seit einigen Jahren in unregelmäßigen Abständen mit je einem lokalen und drei Englischen Erstligisten in Asien statt. Für die Asiaten ist dies wohl DAS Sportevent des Jahres, für die Briten sind es wohl nur zwei weitere Testspiele während der Saisonvorbereitung. Das 40.000 Zuschauer fassende Nationalstadion war für das Finale bereits seit Wochen ausverkauft und auch am heutigen Tag fast voll. Interessant auch, dass sich die teuersten Tickets am schnellsten verkauften. Ja, das passte tatsächlich zu der Veranstaltung. Sieht man mal von jeweils 20-30 mitgereisten Engländern und einigen Kitchee Fans ab, war das Stadion mit Konsumopfern der allerschlimmsten Sorte gefüllt. Das absolute Tennispublikum. Hier und da mal ein Applaus für gelungene Showeinlagen und entsetzliches gekreische beim Anblick der Chelsea-Stars. Ansonsten trank man stillschweigend seine Cola, aß den Burger und schaute das Spiel. Fußball zum abgewöhnen. Widerliche Konsumgesellschaft! Aber das passt zu einer Insel, die einzig und allein auf Business und Konsum ausgelegt ist. Zu einer Insel, in der sich jede (!) Metrostation versteckt in einer riesigen Shoppingmal befindet... Aston Villa gewann übrigens gegen Blackburn Rovers und Chelsea erwartungsgemäß against Kitchee.

Aufgrund einer ausgerufenen Taifun-Warnung war die nächsten Tage leider nichts mit Campen, so dass ich die Zeit bis zum Finale am Samstag notgedrungen im Zentrum totschlagen musste. Ging aber ganz gut klar, da ich ohnehin noch eine Menge bezüglich der nächsten Wochen recherchieren musste. Am Donnerstagabend war dann noch WM2014-Quali zwischen Hong Kong und Saudi Arabien im Siu Sai Wan Stadium. Das Spiel gewannen die Saudis vor 1800 Zuschaern. Außerdem traf ich mich noch täglich mit Louisse und wurde am Freitagabend von ihrer Mutter und ihr zum Essen eingeladen. Schade, dass ich nicht bei ihr Pennen konnte, aber solange man in Asien noch bei seinen Eltern wohnt, kommt so etwas nicht in Frage. Schade vor allem, weil ich so langsam mal kapiert habe, weshalb meine Unterkunft für hiesige Verhältnisse so günstig ist. Die erste Nacht war problemlos. Im neuen Bett am Mittwochabend bin ich aber schon ständig aufgewacht und war der Meinung, dass das wohl an Mückenstichen lag. In der nächsten Nacht wurde es dann noch schlimmer und um Fünf Uhr Morgens brach ich den kurzen Schlaf notgedrungen ab. Nicht Mücken, sondern Bettwanzen waren der Auslöser. Das erklärt auch den süßlichen Geruch im Zimmer. Am Freitag waren alle anderen bezahlbare Unterkünfte ausgebucht, weshalb es ein neues Bett tun musste. Das alte vermietete der schmierige Besitzer übrigens direkt an den nächsten für Drei Tage weiter, der dann auch am nächsten Morgen die Flucht ergriff... Am Samstag konnte ich das Zelt für 100HKD weiter verscherbeln und am Nachmittag war dann endlich der nächste Fußballtermin.

Ich wollte eh nur zwecks Tickets- und Magazinesammeln hin und wäre auch nicht wirklich gewollt gewesen, Unsummen auf dem nicht vorhandenen Schwarzmarkt, zu investieren. Aber zum Glück akzeptierte der Depp am Eingang eine nicht abgerissene Karte vom letzten Mittwoch, die mir zuvor zugeflogen war. So also noch den Sieg von Chelsea gesehen und auf dem Rückweg mal in der Ausgehmeile vorbei geschaut. Wow, sah ziemlich fett aus und auch noch bezahlbar, ob der ganzen All-you-can-Drin-Angebote. Hätte ich das mal eher gewusst. Denn jetzt hieß es erst mal zurück ins Hostel, spielte um 1:30 Uhr doch der BVB.

Das war den ganzen Tag schon ein ganz ganz merkwürdiges Gefühl. Statt mit den Freunden im Bus auf dem Weg nach Sandhausen, befand ich mich immer noch am anderen Ende der Welt und wusste, dass ich das Spiel am Abend nur per Stream verfolgen kann. Das letzte mal, dass ich während eines Pflichtspiel nicht gemeinsam mit meinen Freunden im Block (oder wahlweise im Saloon beim Derbyboykott oder wenigstens gemeinsam in der Zelle in der Stadt des Spielortes ;-)) war ist immerhin schon Vier Jahre her und passierte auch nur, wegen einer Busverspätung. Und war schlimm genug. Aber da werde ich mich nun dran gewöhnen müssen und immerhin startete die neue Serie direkt mit einem Sieg...

Den Versuch noch ein paar Stunden zu schlafen, habe ich wegen den kleinen Mistviechern in der Matratze dann schnell wieder abgebrochen und mit ein paar Leidgenossen noch etwas gelabert. War dieses Mal aber halb so wild, wollte ich doch eh früh aufbrechen. Das abendliche Spiel in Shenzhen hatte ich verworfen, dafür wollte ich am Montagabend zum Fußball in Ha Noi, Vietnam, sein und bis dahin waren es noch ein paar Kilometer. Direkt hinter der Grenze waren ein paar Büros von Busunternehmen und eines offerierte mir für 280CNY einen Fahrt nach Nanning, was gut Drei Stunden vor der vietnamesischen Grenze liegt. Und da nahm das Unheil seinen Lauf... Direktbusse gab es erst am Nachmittag, ebenso wie Züge (und auch nur fon Guangzhou), weshalb ich in Wuzhou umsteigen sollte. Kein Plan, wie das mit nur einem Ticket klappen sollte, aber wird schon. Gemeinsam mit 7-8 Einheimischen brachte uns ein Mitarbeiter zu einer Nebenstraße, wo wir in den fast leeren Bus einstiegen. Perfekt, direkt in das kleine Bett gelegt und eingeschlafen. Das Glück wehrte aber nicht lange. Eine Stunde später absolutes Geschrei im Bus. Was war los? Hielten da etwa Drei Chinesen ein Pläuschen oder war nur jemand am telefonieren? Jaja, teilweise sind sie schon ein unzivilisiertes Völkchen... Dieses Mal gab es aber tatsächlich so etwas wie einen Grund für die ganze Aufregung: Der Bus war komplett überfüllt. Ich musste mir mein Bett nun mit Zwei weiteren Personen teilen, an Schlaf war also nicht mehr zu denken, obwohl ich mangels Schlaf in der Nacht hundemüde war. Das war aber noch zu verkraften. Im Gespräch mit meinem englischsprachigen Sitznachbar stellte sich plötzlich heraus, das ich wohl im falschen Bus saß, auch wenn die Richtung nicht ganz verkehrt war. Er war sich sicher, dass man micht abgezockt hatte, weil ich das Ticket nicht an offizieller Stelle im Busbahnhof gekauft hatte. Das nächste Problem war, dass ich keine Karte dabei hatte und ich die Stadt nicht kannte, in der wir Sieben Stunden später ankamen. Von dort aus seien es angeblich noch Sechs weitere Stunden bis Nanning. Na ja, da muss ich mich halt überraschen lassen. Die Zeit ging mehr schlecht als recht vorbei. Am Endausstieg war dann mein Sitznachbar schon ausgestiegen, allerdings gab mich der Busbetreuer an jemand anderem weiter, der mir klar machte, dass ich warten solle und dann nach Nanning fahren würde. Außerdem gab er ihm einige Geldscheine, so dass ich mir sicher sein konnte, dass das Busunternehmen für die Weiterfahrt aufkommt. Als ich 30 Minuten später von einem Motorradfahrer abgeholt war, hatte ich natürlich schon das schlimmste befürchtet, wurde aber zum Glück nur zu einem anderen Busbahnhof, an dem unser Bus übrigens zuvor auch schon gehalten hatte (…), abgesetzt. Eine halbe Stunde später ging es dann mit dem Bus weiter. Weil wir aber erst noch in einem kleinen Hinterhof hielten um einige Sitze auszubauen und durch Metallwannen zu ersetzen, in die an anderer Stelle Boxen mit Fischen geladen wurde, dauerte es dann doch noch Zwei weitere Stunden, bis es endlich nach Nanning ging. Dort wurden die Fische dann erst noch auf einem lokalen Markt abgeladen und um halb Zwei Nachts stand ich dann endlich am Busbahnhof. Dort war alles dicht, ein verbliebener Mitarbeiter kritzelte mir aber eine Fünf auf einen Zettel, nach dem ich ihm klargemacht hatte, dass ich einen Bus nach Pingxiang (Grenzstadt zu Vietnam) brauche. Alles klar, die paar Stunden kriege ich auch noch herum. Sogar besser als gedacht, da nicht weit weg ein Internetcafe war, was in China ja einem Sechser im Doppler gleicht. Wieder am Busbahnhof angekommen stellte sich dann aber heraus, dass um Fünf lediglich der Busbahnhof seine Pforten öffnet. Der nächste Bus fuhr erst um 7:30. Also noch mal warten und dann die Dreistündige Fahrt natürlich bestens geratzt. In Pingxiang angekommen musste ich die 10km für 25CNY mit dem Taxi zur Grenze und kurz darauf stand ich dann auch schon in Vietnam.

Was kann ich abschließend über China sagen? Nicht das allerbeste, was aber wohl auch ganz klar darin liegt, dass ich lediglich die riesigen Millionenmetropolen an der Ostküste besucht habe. Ein Besuch im Landesinneren lohnt sich vermutlich deutlich mehr. Die Leute fand ich jetzt auch nicht so toll. Hier und da habe ich mal einen freundlichen Chinesen kennengelernt, in der Regel waren die Chinesen aber eher darin interessiert einen anzustarren oder zu fotografieren, als kennenzulernen (auch wenn sie Englisch konnten). Politisch scheint China gar nicht viel schlimmer zu sein, als unsere westlichen Regierungen. Klar, die Pressefreiheit ist noch mehr eingeschränkt und es verschwinden regelmäßig Kritiker des Regimes und spätestens nach dem Tiananmen-Massaker weiß jeder Bürger, dass die Regierung ihre Macht halt notfalls mit Gewalt verteidigt. Dafür wissen die Chinesen aber immerhin wo sie dran sind und man verblödet sie nicht von klein auf um sie in dem Glauben zu lassen, in einem freien Staat beziehungsweise einer Demokratie zu leben.

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